Mittwoch, 23. September 2009

Kyela - Die zweite Woche

Meine zweite Woche in Kyela hat mit dem Besuch von Olli - ehemaliger Freiwilliger der DTP, nun Vorstandsmitglied - begonnen, der während seines Tansania Aufenthaltes auch diese neue Einsatzstelle besuchen wollte. Da er die Nacht bei uns im Haus verbracht hat, konnte er sich mit Mama Jimmy über unsere derzeitige Wohnsituation unterhalten. So erzählte er uns, dass Mama Jimmy ihm erklärt hätte, noch so lange bei uns im Haus zu wohnen, bis entweder unsere Haushälterin zu uns zieht oder es sicher ist uns zwei alleine in dem Haus wohnen zu lassen. Sie hätte sorge, dass man in der Nachbarschaft heraus bekäme, dass zwei weiße alleine in dem Haus wohnen und möchte uns daher nicht von Anfang an alleine lassen. Am Dienstag morgen hat er sich unser Büro angeguckt und ist anschließend wieder abgereist.

Da wir für den Weg von unserem Haus zur Arbeit gut eine halbe Stunde benötigen und auch in die Stadt gut zwanzig Minuten zu Fuß unterwegs sind, haben wir es vorgezogen uns anzupassen und ebenfalls auf das hier übliche Fortbewegungsmittel umzusteigen - kurz gesagt wir haben uns ein Fahrrad gekauft. Da die Gebrauchtfahrräder, die man hier bekommt, verhältnismäßig teuer sind, war unser ursprünglicher Plan ein Fahrrad zu kaufen und dieses als Tandem zu nutzen, wie man es hier normalerweise tut. Leider haben sich die blauen Flecke und Unfälle viel zu schnell gehäuft, so dass wir doch noch ein zweites Fahrrad gekauft haben.

Im Moment ist Ferienzeit in Tanzania und unser Haus füllte sich immer mehr, da einige der 7 Kinder von Mama Jimmy nach und nach eintrudelten. Die 3 Häuser, die die Familie Jimmy besitzt scheinen wohl größtenteils vermietet zu sein. In einem der anderen Häuser wartet man darauf, dass die Mieter ausziehen, so hielt bzw hält sich die gesamte Familie den ganzen Tag über bei uns auf. Der Fernseher läuft von morgens 6.00 Uhr bis teilweise um Mitternacht, wenn nicht sogar noch länger. Im Programm Premiere League Fußball oder tansanische Soap-Produktionen, die ihre deutschen Pendants Oscar-würdig erscheinen lassen... Inzwischen verstehe ich, weshalb auf meiner Packliste neben Oropax der Vermerk "kann sehr nützlich sein" gemacht worden ist. Am Wochenende war der Höchstpunkt erreicht: Bei uns wohnten Mama Jimmy mit ihrem Mann, der Tochter Suzie, sowie zwei weiteren Töchtern mit einem Kleinkind. Tagsüber verbrachten zudem noch der Sohn mit Frau und Kind, sowie ein Schwiegersohn die Zeit bei uns, die jedoch die Nacht in einem der anderen Häuser der Familie verbrachten. Zum Abendessen kommen seit dem ersten Abend drei ca. 16-18 jährige Jungen - Enkelkinder des Bruders von Mzee Jimmy - die Kapazitäten des Hauses werden fast entgültig an ihre Grenzen getrieben.

Die restliche Woche verlief bis Donnerstag vollkommen normal und ohne größere Vorkommnisse. Am Donnerstag Vormittag jedoch, saß ich im Büro und fühlte mich nicht besonders gut. Nachdem ich den Vorabend schnupfen hatte und am morgen mit starken Halsschmerzen aufgewacht bin, entwickelten sich zudem unangenehme Kopfschmerzen. Die Vermutung, dass ich Malaria haben könnte lag nahe. Ich erklärte also unserem stellvertrendem Chef, dass es mir nicht gut ginge und fragte, wo ich am besten hingehen könnte, um einen Malaria-Test machen zu lassen. Er verschwand kurz im Nachbarbüro und kehrte mit unserem Kollegen Chaz, der uns schon nach Mbeya begleitet hatte, wieder zurück. Chaz sollte mir zeigen, wo ich den Test machen lassen kann und mich sprachlich unterstützen. Anna begleitete mich ebenfalls.

Nach 10-15 min Fußweg kamen wir an. Die 'Krankenstation/Praxis' entpuppte sich als kleines recht ungepflegtes Haus. Auf der Veranda am Eingang saßen 2 Menschen. Wir traten hinein. Obwohl ich mich schon vor einer Weile darauf eingestellt habe, dass ich in Krankenhäusern und bei Ärzten mit sehr schlechten Bedingungen rechnen muss, und dass die Wartezeiten teilweise sehr lang seien, musste ich doch erst mal schlucken. Im Wartebereich standen einige Stühle und ein paar der hier üblichen Holzsofas auf denen marode Kissen lagen. Eine unbesetzte Holztheke bildete den Empfangsbereich. Rechts daneben war Kioskartig - die hier übliche Verkaufs- und Ausgabeform - ein kleiner Raum zur Medikamentenausgabe eingerichtet worden. Chaz meldete mich dort für einen Malaria-Test an. Der Warteraum war menschenleer, so dass ich hoffen konnte schnell dran zu kommen. Wir wurden auch direkt weiter in Richtung Behandlungsraum geschickt.
Die Bedingungen, die in dieser 'Praxis/Krankenstation' herrschten, lassen sich in schriftlicher Form nur sehr schlecht beschreiben. Ich war sprachlos.
In dem unbeaufsichtigten Behandlungsraum nahmen wir auf einer kleinen, klapprigen Holzbank platz. Vor uns ein kleines Tischchen, auf welchem eine kleine Schüssel mit Wattebäuschchen und Picksern lag. Wasser bezog man aus der üblichen Wassertonne - das an der Wand angebrachte Waschbecken fiel schon halb ab. In den Ecken fand man Massen an Spinnenweben, schnell entflammbare (laut Ettiketierung) Flüßigkeiten waren für jeden frei zugänglich auf einem schiefen Regal untergebracht. Am Ende des Raumes stand ein Mikroskop. Auf einer Ablage ein kleines Regal/Gerüst mit kleinen Glasplättchen. Es scheint, als sei die gängigste Untersuchung dort der Malaria-Test. Nach 5 min erschien die gleiche Dame, die mich aufgenommen hat und bat um einen meiner Finger, pickste mich mit einem der steril verpackten Picksern in den Fingern und presste einen Tropfen Blut aus meinem Finger, den sie auf ein Glasplättchen schmierte. Das Plättchen landete zusammen mit meiner Patientenkarte - auf welcher mein Name "Izabera" geschrieben wurde - auf eine Ablage und ich wurde mit einem Wattebäuschchen wieder in Richtung Warteraum geschickt.

Nach ca. 20 Minuten erschien jemand mit meinem Zettel in der Hand und sagte mir - Chaz übersetzte immer - ich müsse noch den Arzt sehen. Da neben meinem Bluttest-Anmeldung etwas geschrieben stand und ich mit dem Arzt sprechen musste ahnte ich es schon. Der Arzt, der direkt englisch mit mir gesprochen hat, fragte mich über meine Beschwerden aus, hat Fieber gemessen und teilte mir schließlich mit, dass ich Malaria habe. Als er mit mir die Medikation besprechen wollte, erklärte ich ihm, ich hätte schon Medikamente von zu Hause mitgebracht. Er bat mich, ihm die Namen meiner Medikamente zu geben, genehmigte diese zur Behandlung und schrieb mir zusätzlich noch 2 Antibiotika gegen meine Kopf- und Halsschmerzen auf.
Mit den Antibiotika in der Hand und einem der Risiken, die ich hier in Afrika eingehe, unmittelbar konfrontiert habe ich mich auf den Weg nach Hause gemacht, um direkt mit der Behandlung zu beginnen. Die nächsten dreieinhalb Tage habe ich mit starken Kopfschmerzen und Schwächegefühl in meinem Bett verbracht.
Pole sana - Ausdruck im Kisuaheli, um Mitleid zu bekunden - ist was ich in der Zeit von allen Seiten zu hören bekommen habe.

Über die familiäre Invasion war ich dementsprechend weniger glücklich, weil es um so schwieriger wurde Ruhe zu finden. Man kümmerte sich jedoch rührend um mich. Suzie, die ausgebildete Krankenschwester ist, und ihre Mutter sind in regelmäßigen Abständen zu mir gekommen, um zu fragen wie es mir geht oder um mir etwas zu essen zu bringen! Auch Anna hat sich sehr lieb um mich gekümmert!

Während dieser dreieinhalb Tage habe ich etwas ganz beeindruckendes erlebt, was mir zeigt, wie willkommen ich hier bin und dass ich allen Grund habe mich hier wohl zu fühlen: Nach und nach haben mich alle meine Kollegen besucht, und auch mein Chef hat mich aus Dar es Salaam angerufen, um sich nach mir zu erkundigen.

Obgleich meine Malaria-Infektion sehr milde verlaufen ist und man sich bestens um mich gekümmert hat, kann ich nur hoffen, dass dies der einzige Fall bleibt, dass mich eines der möglichen Risiken unmittelbar betrifft!