Donnerstag, 17. September 2009

Kyela - Unser Haus



Grundriss des Hauses

Während des Vorbereitungsseminar, welches wir Anfang August in Glücksburg an der Ostsee hatten, wurde Anna und mir mitgeteilt, wie unsere Wohnsitutation in Tansania sein wird. Dies war bis zu dem Zeitpunkt unbekannt.

Wir rechneten damit, für 1 Jahr in einer Familie zu leben. Tanja N. teilte uns jedoch mit, dass man für uns ein leer stehendes Haus gemietet hätte, in welchem wir das Jahr über wohnen würden. Das Haus wäre unmöbliert und man würde versuchen für unsere Ankunft 2 Betten und zumindest einen Tisch besorgt zu haben, damit wir die ersten Nächte nicht in einem vollkommen leeren Haus leben müssten.

Nun hat unser Chef Simon dieses Problem anders gelöst, indem die Möbel erst angeschafft wurden, als wir angekommen waren, um sie gemeinsam mit ihm auszusuchen, und uns deswegen bei sich untergebracht. Natürlich sehr neugierig darüber wie wir wohnen würden, haben wir unseren Chef gefragt. Dieser sagte uns dann, dass die Menschen, die bisher in dem Haus lebten erst noch ausziehen müssten, bevor wir einziehen könnten. Der Auszugstermin wurde täglich verschoben, bis wir uns am Mittwoch (02.09.09) abend endlich anschauen konnten, wo wir wohnen würden! Zusammen mit einem Lieferanten, der unsere Betten und Möbel in das Haus gebracht hat, sind wir die 30 min Fußweg zu unserem Haus gegangen.

Da in den vergangenen Jahren einige Freiwillige teilweise in Häusern ohne fließend Wasser und Strom gelebt haben, bin ich die erste Besichtigung meiner zukünftigen Wohnstätte in Tansania mit entsprechender Erwartungshaltung angegangen.

Als wir vor dem Haus standen, waren wir nahezu entsetzt: Als erstes berüßte uns eine riesige Satelliten-Schüssel, die vor dem freistehendem Haus im 'Vorgarten' befestigt wurde. Um das Haus herum brachliegendes Land, voller Müll, Gestein und Schrott. Die Eingangstreppe des Hauses war mit aufwendigen Fliesen besetzt, die im Flur von rostbraunen hochglanz Fliesen abgelöst wurde. Der erste Raum, direkt rechts vom Flur, war voll mit Säcken unbekannten Inhaltes, auf dem Holzlatten und ein auseinander gebautes Bett lag. Der nächste 'Raum' war mit einem Kühlschrank, Eßtisch mit 4 Stühlen und einer Geschirr-Komode voll ausgestattet. Von diesem Eßzimmer durch einen offenen Durchgang zwei Stufen hinunter gehend kommt man in das sehr lang gezogene Wohnzimmer, welches mit Sofa-Sitzmöglichkeiten für 16 Leute, 2 Couch-Tischen, 1 Geschirr-Komode, 1 weiteren Kühlschrank, 2 leeren Regalen, 1 Fernseher und 1 Video-Recorder quasi überfüllt war. Der Eingangsflur ist auf der Hälfte mit einem weiteren Flur verbunden, von welchem wiederum 4 Zimmer abgehen, sowie am Ende links eine verwinkelte Ecke in welcher sich 2 Toilettenräume und ein kleiner Abstellbereich befinden.
Das erste Zimmer links war mit einem Tisch, einigen Hockern und allem nötigen Küchenmaterial im tansanischen Sinne voll ausgestattet. Das hier gegenüberliegende Zimmer schien voll mit Kisten, Koffern und Matratzen als Rümpelkammer genutzt zu werden. Die verbleibenden beiden Zimmer waren teilweise leer - man sah, dass diese noch komplett leer geräumt werden sollten, wie es uns schließlich auch gesagt wurde. Von dem wesentlich größeren Zimmer der beiden ging noch eine dritte Toilette (eine westliche Toilette!!!) ab. Ein Badezimmer und Waschbecken suchte man vergeblich.
Das Haus ist mit Elekrizität ausgestattet, Wasser bekommen wir aus dem Brunnen vor dem Haus.

Mit all diesen Eindrücken sind wir zurück zu dem Haus unseres Chefs gebracht worden, wo wir diese erst mal sacken lassen mussten.
Die allerdings größte Frage, die sich mir stellte: Warum stehen in einem eigentlich leer-stehenden Haus so viele Möbel? Wo kommen die her? Wie sollen die über Nacht bis 14 Uhr am nächsten Tag leer geräumt, auseinander gebaut und aus dem Haus geschaffen werden?

Als wir am nächsten Tag um 14 Uhr das Haus mit dem Tischler, der die Betten zusammen bauen sollte, erreichten, waren die leer geräumten Regale links und rechts des Fernsehers im Wohnzimmer wieder voll. In dem Eßzimmer stand auf der Kommode ein weiterer Fernseher - das Haus wurde voller und nicht leerer.
Die beiden Zimmer, die wir beziehen sollten, waren jedoch komplett leer. Die Küche nicht. Uns stellte sich als erstes die Frage: Wohin mit unseren Küchensachen?
Zunächst galt es aber zu bestimmen wie die Betten in den Zimmern aufgebaut werden sollten.

Während die Betten zusammen gebaut wurden, stellte uns Simon Mama Jimmy vor.
Mama Jimmy ist die Besitzerin des Hauses - ihr Eheman Mzee Jimmy kam später noch dazu - ist 60 Jahre alt und vor kurzem in Ruhestand getretene ausgebildete Lehrerin, die schließlich für das Bildungsministerium arbeitete. Sie hatte sich auf Bitten unseres Chefs auch darum gekümmert eine "Haushälterin" für uns zu finden, die uns ebenfalls vorgestellt wurde.

- Es ist allgemein üblich und wird auch erwartet, dass weiße eine Haushälterin haben. Da der Herd mit Holz bzw. Kohle befeuert wird, die Wäsche von Hand gewaschen und das Wasser aus dem Brunnen geholt werden muss ist es schwierig bei einem 8-Stunden-Arbeitstag und Sonnenuntergang um 18 Uhr all diese Arbeiten selbst zu erledigen. -

Nachdem unsere Betten aufgebaut wurden und jeweils ein Sofa aus dem Wohnzimmer in unsere Zimmer getragen wurden, gingen wir zurück zu unserer bisherigen Unterkunft, um unsere Taschen und Koffer zu packen. Da alle Räume, bis auf die unseren noch voll eingerichtet waren, mussten wir unseren großen Tisch und sämtliche Haushaltsgegenstände in unseren Zimmern unterbringen.

Abends haben Anna und ich als erstes recht euphorisch unsere Koffer auf den Sofas und unserem großen Tisch ausgebreitet. In meinem Zimmer, das größere, was Anna mir überlassen hat, ist noch eine kleine Kommode mit Spiegel und Schubladen gelassen worden, die wir benutzen dürfen. Hier konnten wir wenigstens die meisten kleinen Gegenstände und eine abschließbare Wertsachen-Schublade einrichten. Es war uns ganz egal, dass wir noch keine Regale hatten. Wir waren ENDLICH angekommen, das Leben aus dem Koffer hatte ein Ende. Das nun herrschende Chaos war uns für den Moment gleichgültig. Es zählte nur das Gefühl endlich vollends angekommen zu sein!

Mittwoch, 16. September 2009

Kyela - Die erste Woche

Um 8 Uhr morgens haben wir gemeinsam mit Simon gefrühstückt und sind anschließend zusammen mit einem Kollegen, der ebenfalls auf diesem eingezäunten Gelände wohnt, auf Motorrädern ins Büro gefahren. Dieses wurde uns kurz gezeigt, bevor wir uns mit Simon darum gekümmert haben uns eine Wohnungseinrichtung anzuschaffen.

Das Büro von Tujijenge Microfinance Ltd (kurz TMF) befindet sich in einem sehr neuen Gebäude - lediglich das Erdgeschoß ist fertig gestellt und bewohnbar, das erste Stockwerk ist noch lange nicht einzugsfertig... Die Räumlichkeiten von TMF erstrecken sich über zwei Räume, die getrennt voneinander von außen zu begehen sind. Das größere Büro der beiden (ca. 4mx6m), in welchem der tägliche Geschäftsbetrieb abgehalten wird, ist durch ungefähr 1m85 hohe, nach oben offene Wände in wiederum 6 Bereiche unterteilt. Zwei kleine Boxen wurden als Kassenhäuschen eingerichtet, dahinter in der rechten Ecke des Raumes befindet sich eine leere Abstellkammer, der danebenliegende abgetrennte Bereich in der linken Ecke ist bis auf 2 Aktenschränke und 3 vollgestopfte Pappkisten bisher leer - hier soll unser 'Raum' entstehen, wird uns erklärt. Die übrigen beiden Bereiche sind zum einen der freie Eingangsbereich, in welchem sich 2 Sitzbänke befinden und die Öffnungen der Kassenhäuschen, sowie ein letzter abgetrennter Bereich, welches das Büro unseres Chefs darstellt.
Der zweite Büroraum ist ungefähr 3mx4m groß und nicht unterteilt. Hier arbeiten unsere 3 Kollegen.

Nach kurzer Wartezeit und Besichtigung der Geschäftsräume sind wir mit Simon in Richtung Stadt gegangen - ca. 5 min Fußweg.
Hier hat uns Simon zunächst das alte Büro gezeigt, in welchem sich noch ein Paar alte Möbelstücke, sowie die Telefon- und Internetverbindung von TMF befinden. Man wartet hier noch immer auf den Techniker von TTCL (das tansanische Telekomunikationsunternehmen), der die Leitung ins neue Büro verlegen soll... Allgemein ist der Begriff "Warten" hier sehr zentral - dazu später mehr. Als wir das neue Büro gezeigt bekommen haben, haben Anna und ich uns gefragt, wozu man denn ein so neues, schickes Büro benötigte, ob es nicht viel sinnvoller wäre zunächst die mangelnden Arbeitskräfte einzustellen und die Geschäftstätigkeit auszubauen, bevor man in ein solches Büro zieht. Nachdem wir jedoch das alte Büro gesehen haben, wurde uns schlagartig klar, dass der Schritt absolut nötig war. In einem früher sicherlich mal sehr schönen, heute allerdings vollkommen marodem Gebäude wäre das tägliche Arbeiten eher lebensgefährlich, als produktiv. Neben dem Büro wollte uns Simon auch einige gebrauchte Möbelstücke zeigen, leider hat er jedoch den Schlüssel für die Kammer vergessen, in welcher die Möbel stehen, so dass wir später wieder kommen mussten.

In einem der hier vollkommen üblichen Kioskartigen Geschäfte haben wir anschließend für einen Gesamtpreis von ca. 50,- Euro unsere Kücheneinrichtung gekauft:

2 Becher
4 Teller
eine 12er Packung großer Löffel
ein Messerset inkl. Schneidebrett
1 Zuckerdose
4 Teelöfel
6 Gläser
1 Kochtopf-Set (Kochtöpfe sind hier dünne Metallschüsseln, ohne Deckel und Henkel)
1 Wasserkocher
1 Thermoskanne
2 Kochlöffel
2 kleine Plastikeimer
1 größere Plastiktonne

Nach diesem ersten Einkauf sind wir zurück ins Büro gegangen, wo Anna und ich noch mal eine kurze Wartezeit hatten. Anschließend sind wir mit unserem Chef Mittagessen gegangen. Auf dem Weg zum Mittagessen haben wir bei einem Tischler unsere Betten ausgesucht und gekauft. Wir haben 2 sehr schöne komplett handgefertigte 4x6 feet große Holzbetten inkl. Mosquitonetz-Halterung und starrem Lattenrost, beides ebenfalls aus Holz, für je 65.000 Ths gekauft (ca. 37,- Euro). Nach dem Mittagessen sind wir wieder in Richtung Büro gegangen, wo wir auf dem Rückweg bei einem wiederum anderen Tischler den Preis für 1 Tisch und 4 Stühle angefragt haben. Unser Budget im Blick, schlug unser Chef vor, dass wir ein Paar alte aber gut erhaltene Möbelstücke aus dem alten Büro zum "Gebraucht-Preis" kaufen könnten. Wieder im alten Büro, diesmal mit Schlüssel, zeigte uns Simon einen sehr schönen alten Holz-Eßtisch, welchen er uns für 40.000 Ths überlassen hat, sowie einige alte, handgefertigte Kellerregale, welche er uns geschenkt hat. Diese Regale sollten uns von einem Techniker - Fundi auf Kisuaheli - umgebaut werden, so dass wir sie in unsere Zimmer stellen können. Leider haben wir am Mittwoch festgestellt, dass der 'Fundi' die Regal falsch umgebaut hat. Seither warten wir darauf, dass unser Chef den Fundi erreicht und ihn bittet, die Regale erneut umzubauen.

Diese oben kurz beschriebenen Einkaufsprozesse haben wir 3 Tage lang mit den, in meinen Augen, ineffizientesten Wegen vollzogen. Würde ich diese Einkäufe für mich selber erledigen, würde ich die Geschäfte in sinnvoller Reihenfolge aufsuchen und so möglichst wenige Wege doppelt gehen müssen. Hier jedoch erledigt man eine Aufgabe nach der anderen und geht, bevor man sich an die nächste Aufgabe macht, (in unserem Fall) ins Büro. Weshalb man das hier so macht, ist mir noch nicht ganz klar - ich habe jedoch ein Jahr Zeit, um diesem Mysterium auf den Grund zu gehen...

Als wir am Mittwoch morgen ins Büro kamen, fanden wir in dem für uns bereitgestellten Raum zwei kleine Schreibtische und zwei Stühle. Man gab uns nun Zeit, uns unser Büro einzurichten. Da wir uns ungerne wie in der Schule hintereinander setzen wollten, für alles andere aber nicht genügend Platz war, haben wir gefragt, ob die Kisten und Aktenschränke, die sich noch in dem Raum befanden, in die leere Abstellkammer gestellt werden könnten. Unser Chef überlegte kurz und empfand die Idee schnell für gut und wollte "demnächst" zwei Männer holen, die die Schränke in die 2m entfernte Abstellkammer stellen würden. Wir hatten Sorge, dass dies wieder mit einer längeren Wartezeit verbunden ist, so dass wir unserem Chef vorschlugen die Gegenstände selber umzusetzen, wenn man uns erlauben würde die Schränke kurz leer zu räumen und anschließend an neuer Stelle wieder einzuräumen. Leider scheiterte dieser Vorschlag an den fehlenden Schlüsseln (der für die Schlüssel zuständige Mitarbeiter war nicht im Büro), mit welchen man die Schränke erst hätte öffnen müssen, ausserdem schien unser Chef ohnehin nicht sehr überzeugt. Schließlich fing unser Chef an, die vollen Schränke auf dem frisch glänzend gefliesten Boden in Richtung Abstellkammer entlang zu ziehen. Anna und ich sahen schon tiefste Furchen in dem neuen Fliesenboden, so dass Anna Vorschlug eine Decke unter die Schränke zu legen, um diese so leichter und mit weniger Schäden über den Boden zu ziehen. Da weit und breit keine Decke zu finden war, nahmen wir kurzerhand etwas Papier und haben dieses unter den begeisterten Augen unseres Chefs unter die Schränke gelegt und diese nun schnell und schadenfrei in die Abstellkammer gebracht. Unserem Chef war die Begeisterung nicht nur anzusehen, sondern auch anzuhören....
Nach ca. 45min hatten wir unser Büro fertig eingerichtet und an unseren Schreibtischen Platz genommen. Nun hatten wir Zeit uns an unser neues Büro zu gewöhnen. Kurz gesagt: Wir haben 4 h gewartet, bevor es weiter ging... Da wir tatenlos rumsaßen und keinerlei Beschäftigungsmaterial in Form von Büchern o.ä. hatten, haben wir mit Papierschnipseln und einem imaginärem Mühlebrett Mühle gespielt, sowie aus dem Fenster geguckt. Schließlich durften wir in die Stadt gehen, um dort weitere kleinere Besorgungen zu erledigen, sowie zu Mittag zu essen. Wieder zurück im Büro ging die Wartzeit weiter...

Abends folgte die Erlösung: Wir konnten uns ENDLICH unser zukünftiges Wohnhaus angucken. (Näheres hierzu in dem nächsten Blogeintrag)

Am Freitag teilten wir unserem Chef mit, dass wir am nächsten Tag nach Mbeya - nächstgelegenste größere Stadt, Hauptstadt der Region - fahren müssten, da wir Geld abheben müssen. In Kyela gibt es eine Bank, dessen Geldautomat unsere EC- und Kreditkarten nicht akzeptiert. Unser sehr um uns besorgter Chef meinte es sei besser, wenn wir die erste Fahrt nach Mbeya nicht alleine machen würden, da wir uns in der Stadt noch gar nicht auskennen würden und verschwand. Kurze Zeit später kam er mit unserem Kollegen Chaz - wie ich 24 Jahre alt - zurück und sagte, dass Chaz uns begleiten würde, da er bis vor einer Woche selber in Mbeya gewohnt hat und sich daher sehr gut dort auskennt.
Samstag morgen um 7 stiegen wir also in das DalaDala, welches uns 4 Stunden später in Mbeya rausgelassen hat.
Dieses Mal haben wir uns also bei Tageslicht den Teil Tansania's angucken können, in welchem wir nun ein Jahr leben werden.
Die Fahrt führte uns durch wunderschöne Berglandschaften, die in manchen Bereichen von Teeplantagen dominiert sind. Nun also endgültig die Bestätigung: landschaftlich gesehen, läßt es sich hier schon mal sehr gut aushalten!
Abends, auf unserem Rückweg nach Hause dann die zweite Bestätigung dieser Art, die wir zuvor noch gar nicht wahr genommen hatten: Kyela ist fast komplett von Bergen umringt, so dass bei dem richtigen Licht und klarer Luft ein schönes Berg-Panorama vor unseren Augen liegt.

Als wir uns abends bei unserer Hausmutter (siehe bald folgenden Blogeintrag zum Wohnen in Kyela) zur Nacht verabschiedeten, fragte sie uns etwas auf Kisuaheli. Wir dachten, sie würde von uns wissen wollen, wann wir denn am nächsten Tag gedachten aufzustehen. Falsch gedacht. In der dann folgenden englischen Übersetzung wurde klar, sie wollte nicht wissen wann wir aufstehen, sondern wann wir in die Kirche gehen würden. 6.30 Uhr, 8.00 Uhr oder 10.00 Uhr. Gar nicht darauf gefasst, aber durchaus bewusst, dass sich uns keine wirkliche Wahl stellen würde, sagten wir, dass wir um 10.00 Uhr in die Kirche gehen würden.

So klingelte am Sonntag morgen also um halb neun der Wecker, damit Anna und ich noch vor unserem Kirchen-Besuch gut frühstücken könnten, da wir mit einem gut zwei Stunden dauernden Gottesdienst rechneten. In unserer Umgebung kennen wir zwei Kirchen. Wir sind also zur näher liegenden Kirche. Als wir dort ankamen, waren wir nicht wirklich sicher, ob wir denn richtig seien. Mit unserer deutschen Pünktlichkeit um zehn vor zehn vor der Kirche stehend waren wir die einzigen. Schnell wurden wir angesprochen, was wir denn hier wollen würden - zum Gottesdienst gehen, lautete unsere prompte Antwort. Man hieß uns willkommen und wir wurden in die vollkommen leere Kirche begleitet, wo man uns Plätze zuwies. Um zehn Uhr war die Kirche nach wie vor sehr leer. Insgesamt waren 6 Erwachsene und um die 15 Kinder da. Der Gottesdienst wurde selbstverständlich auf Kisuaheli gehalten. Da wir beide natürlich weder Gesangsbuch noch Bibel bei uns hatten und doch sehr auffällig in der Kirche waren, half uns ein Vater zweier Kinder mit seiner Bibel aus und zeigte uns im Laufe des Gottesdienstes immer wieder an welcher Stelle wir uns nun befanden. Nach dem Gottesdienst sind wir zu diesem Herrn gegangen, um uns für seine Hilfe zu bedanken. Prompt lud er uns dazu ein noch mit zu seiner Familie zu kommen, wenn wir denn Zeit hätten. Da es hier vollkommen üblich ist, von Fremden nach Hause eingeladen zu werden, willigten wir ein und befanden uns kurze Zeit später auf dem Weg zu seinem Haus. Nachdem wir uns langsam - seine Kinder sind noch sehr jung und entsprechend langsam zu Fuß - von der Kirche entfernten, hörten wir plötztlich wilde Rufe hinter uns. Der Mann deutete sehr schnell an, dass diese Rufe Anna und mir gelten würden, und wir zurück zur Kirche gehen müssten. Wieder vor der Kirche, standen wir in einem Kreis zusammen mit dem Herrn, der uns die Plätze in der Kirche zuwies, einer Frau, sowie unserem Gastgeber.
Zunächst unterhielten sich alle recht wild auf Kisuaheli, so dass wir plötztlich den Eindruck bekamen, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Wir fragten also nach. Nein, man versicherte uns, wir hätten nichts falsch gemacht. Wurden dann allerdings sehr schnell gefragt, welcher Glaubenszugehörigkeit wir denn seien. Beide katholisch lautete unsere schnelle Antwort. Wieder Gespräche auf Kisuaheli.
Nun folgte der Haken. Uns wurde gesagt, wir seien in einer 'Anglican Church' gewesen, die Gebete seien aber die gleichen. Man teilte uns mit, dass wir doch jederzeit willkommen wären unseren Glauben gemeinsam mit der Gemeinde in dieser Kirche zu teilen, müssten uns jedoch zunächst noch registrieren. REGISTRIEREN?! Das gefiel mir nicht recht, so dass ich schnell mit Anna eine Möglichkeit besprochen habe, uns höflich von dieser Möglichkeit zu distanzieren. Wir drückten also zunächst unsere Dankbarkeit dafür aus, dass man uns so herzlich in der Gemeinde aufnehmen wollen würde. Und erklärten ferner, dass wir es vorziehen würden, mit einer Registrierung zu warten bis wir sicherer mit Sprache und Kultur fühlen würden, da wir ja noch sehr neu in der Kultur und dem Ort wären und die Sprache noch nicht beherrschen würden. Glücklicherweise wurde unser Wunsch sofort akzeptiert und wir nach höflicher Verabschiedung in unseren Sonntag entlassen.

Kurze Zeit später befanden wir uns alleine in dem Wohnzimmer jenes Herren. Es stellte sich heraus, dass er selber nur für 2 Wochen zu einem Besuch bei seiner Schwester im Ort wäre. Der Herr - Emanuele - fragte uns, was wir denn für eine Soda trinken möchten. Um keine Umstände zu bereiten, sagten wir, dass wir nehmen würden, was er denn da hätte. Pepsi und Miranda Erdbeer schlug er vor. Wir stimmten zu und rechneten nicht mit dem dann folgenden:
Emanuele verschwand hinter einem Vorhang in Richtung Hinterausgang des Hauses und wie wir dann durchs Fenster zur Straße sehen konnten auch auf seinem Fahrrad in Richtung Stadt. Anna und ich guckten uns mit weit aufgerissenem Mund an: Er fährt jetzt extra los, um für uns eine Soda zu kaufen. 10 min später stand Emanuele mit einer Pepsi und einer Miranda sowie 2 Mandazi (die hier auch als Häppchen für Zwischendurch gegessen werden) durchgeschwitzt im Wohnzimmer. Ich habe es zunächst als sehr unangenehm empfunden, dass er extra für uns losgefahren ist, mir aber immer wieder vor Augen geführt, dass das in der hiesigen Kultur vollkommen üblich ist. Mein Gewissen wurde des weiteren etwas erleichtert, als uns Emanuele mitteilte, dass seine Schwester am Rand zum Ortskern einen kleinen Shop hat, in welchem sie Pepsi-Getränke sowie Mandazi u.ä. verkauft.
Nach einer Weile fragte uns Emanuele, ob er ein Photo von uns und seinen beiden Kindern machen könnte - ein Photo mit einem weißen scheint hier eine Art Trophäe zu sein. Wir willigten selbstverständlich ein und er verschwand kurz, um seine Kamera zu holen. Es folgten 10 sehr skurile Minuten.
Anna und ich haben uns nebeneinander gesetzt, damit er uns auf ein Photo bekommt, sowie die beiden Kinder auf den Schoß genommen. Als er zurück kam, hatte er nicht einen Photoapparat in der Hand, nein, es war eine Videokamera, die er sorgfälltig auf dem Tisch justiert hat und uns dann ca. 10 min lang gefilmt hat - sehr seltsam. Nachdem wir ca. zwei Stunden dort waren haben wir uns dann höflich von ihm verabschiedet.

Den restlichen Sonntag habe ich damit verbracht meine Eindrücke der vergangen Tage und Wochen niederzuschrieben und die Ruhe im Haus zu geniessen, da Mama Jimmy nicht da war, der Fernseher/Musikanlage also aus.

Dienstag, 15. September 2009

Kyela - Die Ankunft

Wir fuhren mitsamt unseres Gepäcks mit einem Taxi, bei welchem man den Eindruck hatte man müsste mit den Händen versuchen die einzelnen Teile zusammen zu halten, zu dem Haus unseres Chefs. Hier kam sofort seine Familie aus dem Haus und half uns unser Gepäck reinzubringen. Simon - unser Chef - hat 4 Kinder, alles Mädchen, wovon die beiden jüngsten bei ihm wohnen. Die älteste geht zur Uni, die Zweite ist auf der High School, die dritte ist in der Sekundarstufe (Eva, 13 Jahre alt) und die jüngste Tochter ist im Kindergarten (Gloria, 3 Jahre alt). Wir wurden zunächst provisorisch in einem leer stehenden Nachbarhaus auf dem eingezäunten Gelände untergebracht. Bis wir das für uns gemietete leerstehende Haus beziehen konnten - es mussten nämlich noch entsprechend Möbel besorgt werden.

Nach unserer Ankunft wurde uns kurz Zeit gegeben uns frisch zu machen, während für uns und unseren Chef ein kleines Abendessen vorbereietet wurde. Unendlich müde fielen wir anschließend in unsere Betten und freuten uns auf unseren ersten Tag in Kyela.

Sonntag, 13. September 2009

Kyela - Die Anfahrt

Das absolute Verkehrschaos, welches uns zu dieser frühen Stunde auf Dar es Salaams Straßen erwartete, war atemberaubend. Für eine Strecke von ca. 5 min Fahrt haben wir geschlagene 25 min gebraucht. Die zwei Straßen, die wir fahren mussten, waren KOMPLETT verstopft. Es war absolut beeindruckend zu sehen, was sich zu so früher Stunde auf den Straßen Dar es Salaams abspielt. Überall Autos, Busse und LKWs mit dem gleichen Ziel - Ubungo. Sie fuhren ausschließlich durch sich selbst reguliert - also gar nicht - drauf los, immer wieder heftiges Gas geben für eine Strecke von einem vielleicht zwei Metern, damit der Platz nicht von einem anderen Auto weg geschnappt wird, gefolgt von einer Vollbremsung, um nicht mit dem Vordermann zu kollidieren.
Auch das Chaos auf dem imens großen "Busbahnhof" war unglaublich. Überall irrten Menschen mit Gepäckstücken in den Händen oder auf den Köpfen zwischen den quer durcheinander fahrenden Autos und Taxis umher. Ein Meer an parkenden Bussen verstopfte den "Busbahnhof" bis zum Überfluss. Wo man noch ein kleines Plätzchen hätte erhoffen können, wurden Verkaufsstände mit Getränken und Snacks aufgestellt. Für uns glich dieses Bild dem puren Chaos, für den Tansanier schien dies ein ganz normales Bild - unser Taxifahrer manövrierte uns mit reiner Selbstverständlichkeit durch dieses Durcheinander, unser Chef saß mit beeindruckender Gelassenheit auf dem Beifahrersitz, gerade so über den sich auf seinem Schoß befindlichen Koffer und seine Aktentasche blickend.

Nachdem wir in diesem Durcheinander unseren sehr bunten Bus gefunden haben, luden wir unser Gepäck ein und sind in den Bus gestiegen. Uns entgegnete heftiger Kitsch in Form von sehr bunt gemusterten Sitzbezügen und Bodenteppichen, sowie Rüschen-Satin-Gardinen, soweit das Auge reichte. In diesem Bus gab es zwei Sitzreihen. Auf der rechten Seite (hinter dem Fahrer) befand sich eine dreier Reihe und auf der linken eine zweier Reihe. Die Sitze waren sehr schmal und wurden im Laufe der Fahrt an den verschiedenen Haltestellen versucht so gut es geht auszunutzen. Am Rücken des Fahrers befand sich an eine Wand montiert ein riesiger Sony Flachbildschirm, auf welchem während der gesamten Fahrt ein Entertainment Programm ausgestrahlt wurde.

Anna und ich hatten das Glück (in mancher Hinsicht auch Pech) in der ersten Sitzreihe links Platz nehmen zu dürfen. Wir hatten entsprechend angenehme Beinfreiheit, konnten jedoch auch die waghalsigen Fahrmanöver des Busfahrers live miterleben: Auf Tansania's Straßen wird ganz in Formel-1 Manier die optimale Straßenlage ausgefahren. Durchfährt man eine Kurve, so wird diese sehr strikt auf der Innenseite der Kurve genommen, ganz gleich, ob man den Gegenverkehr gut beobachten kann oder nicht.... Auch während eines Überholvorgangs kann es durchaus mal sein, dass ein entgegenkommendes Fahrzeug etwas stärker abbremsen oder gar ausweichen muss! Die gesamte Fahrt wird so viel wie möglich unter Vollgas gemacht, stellt sich einem jemand oder etwas in den Weg, wird lediglich wie wild auf der Hupe rum gedrückt, vom Gas geht man hier nur im allergrößten Notfall, so zumindest vermittelt es die Fahrweise.

Die erste knappe Stunde unserer Fahrt haben bis auf ein paar Ausnahmen in stehendem Zustand verbracht - so lange nämlich dauerte es den Bus aus dem Gelände des Busbahnhofs Ubungo raus zu manövrieren.... Kaum auf der Straße wurde das Entertainment Programm zunächst in Form von Michael Jackson Musikvideos gestartet. Auf potentielle zukünftige Gehörschäden wird keine Rücksicht genommen, die Lautstärke des Fernsehers wurde nahezu an sein Maximum getrieben - allgemein scheint es in Tansania der Fall zu sein, Musik- und Fernsehapparate lieber etwas zu laut, als zu leise einzustellen.

Dank unserer Sitzplätze hatten Anna und ich durch die Front- und Seitenscheiben gute Sicht auf die Landschaft.
Blickte man aus den Fenstern, hat man in Dar es Salaam und kurz dahinter entlang der Straßen das dort herrschende Elend - so zumindest von meinen Augen aus empfunden - sehr stark sehen können. Dies im Kontrast zu den Michael Jackson Videos die uns in unerträglicher Lautstärke beschallten war unfassbar.
Überall türmte sich der Müll, da es in Tansania scheinbar keine Müllabfuhr gibt, auch Mülleimer als solche werden nicht genutzt. Der Müll wird auf die Straße oder in den Vorgarten geworfen und angezündet, sobald es 'zu viel' wird. Menschen leben neben der Straße zwischen dem Müll in kaum intakten Lehmhütten unter den einfachsten Verhältnissen.
Immer wieder entlang der gesamten Strecke fand man einzelne oder kleine Lehmhüttensiedlungen ganz nah an der Straße, im Hintergrund dazu wunderschönes Afrika-Panorama: Ananasplantagen, weitläufiges und karges Gelände, Berge, roter Sand.

Nach fast 16h ruckeliger Fahrt mit nur 3 kurzen(!!!) Pausen (an den Haltestellen, gab es keine Gelegenheit für uns, kurz aus dem Bus zu steigen, viel zu schnell wurden die Fahrgäste aus dem Bus gelassen und neue wieder rein) war es soweit:

Herzlich Willkommen in Kyela!